Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Psalm 36, 6
Chronik
Erinnerungen zum Kirchenbau Pabststraße 13a
Teil I
Ab Ende Mai 1945 fanden die Gottesdienste in einem ehemaligen Lagerraum in der Ernst-Thälmann-Straße 13 statt.
Im Oktober 1946 musste die Gemeinde ihre Versammlungsstätte räumen, da diese von der sowjetischen Besatzungsmacht beansprucht wurde.
In der Folgezeit versammelten sich die Geschwister sonntags in der Aula der Friedrich-Schiller-Oberschule und später in einem
Nebenraum des "Weißen Saales" im Weimarer Stadtschloss. Die unsicheren und unzureichenden angemieteten Versammlungsstätten
erforderten dringend den Bau eines Kirchen- gebäudes.
Bereits 1940 hatte die Kirche das Grundstück in der Pabststraße 13 a erworben. Auf diesem Grundstück befand sich eine alte Scheune,
deren Grund- und Umfassungsmauern bis zu den Fenstern der jetzigen 1. Etage reichten. Die Außenwände bestanden aus Feldsteinen,
die heute noch zum Teil sichtbar sind.
Obwohl in der von Hunger, Not und Entbehrungen geprägten Nachkriegszeit ein Kirchenbau undenkbar erschien, wurde es möglich,
mit dem Bau im Jahre 1947 zu beginnen. Die Baugenehmigung wurde von der Einrichtung mehrerer Wohnungen im oberen Stockwerk
des Gebäudes abhängig gemacht. Ich kann keine Einzelheiten über die Schwierigkeiten benennen, welche in der Nachkriegszeit
hinsichtlich der Beschaffung von Baumaterialien, bautechnischen Geräten und Anlagen, Arbeitskräften sowie finanziellen Mitteln
ohne Zweifel bestanden. Jedoch habe ich persönlich erfahren, wie der beharrliche und unermüdliche Einsatz und Opfersinn der Geschwister
den Bau des Kirchengebäudes von Monat zu Monat voran brachte.

Eine kleine Episode aus der Zeit des Baubeginns:
Als Jugendlicher erhielt ich vom Vorsteher den Auftrag ein paar Tage Urlaub zu beantragen. Es mussten die im Krieg
eingelagerten Kulissen des Deutschen Nationaltheaters entfernt werden. Gemeinsam mit Bühnenarbeitern wurden die Kulissen
auf große lange Plattenwagen verladen und mit Muskelkraft ins Theater, quer durch die Stadt, transportiert. Fahrzeuge standen
nicht zur Verfügung. Das war die erste sogenannte "Bautätigkeit". Später beteiligten sich die Geschwister auch sonntags an
diesem "Aufsehen erregenden" Transport durch die Stadt.
Der Materialmangel - man konnte keine Mauersteine erwerben - erforderte die Beschaffung von Mauersteinen aus bombengeschädigten
Häusern und Gebäuden der Stadt (z.B. Frauenplan, Kohlstraße u.a.). Die Geschwister gruben die Steine oft mit den bloßen Händen aus
dem Erdreich, befreiten sie mit einem Hammer vom Mörtel und transportierten sie mit Handwagen zum Kirchengrundstück. LKW oder
Pferdefuhrwerke standen nicht zur Verfügung, so dass selbst vom 6 km entfernten Buchenwaldgelände alles per Handwagen in die
Pabststraße transportiert wurde. Die Männer führten fast täglich nach der Arbeit mit Hacke und Schaufel Ausschachtungen für das
Kellergeschoss, Leitungsgräben u.a. aus. Transportgeräte, Aufzüge und andere Hilfsmittel waren nicht vorhanden. Die Arbeiten wurden
in der Regel nur mit Körperkraft bewältigt. Die Frauen verrichteten leichtere Arbeiten. Sie waren außerdem abwechselnd für das
Zubereiten der Mahlzeiten für die angestellten Baufachleute (z.B. Bruder Leuthoff sen.) zuständig. Unterstützung erhielt die Gemeinde
auch durch Baufachleute aus anderen Gemeinden, z.B. durch den Hirten Born aus Oberwillingen.
Unter dem Blickwinkel der allgemeinen Notlage und des Mangels an Lebensmitteln (es gab nur geringste Zuteilungen auf Lebensmittelmarken)
leisteten die Geschwister einen unvergesslichen und opferreichen Liebesdienst. Beispielsweise musste 1948 während der Pfingstfeiertage
auf dem Güterbahnhof ein Waggon mit Sand entladen und zum Kirchengrundstück transportiert werden. Mit großer Mühe gelang es einen
Traktor mit Anhänger (ohne Kippvorrichtung) zu organisieren. Da kein Bagger vorhanden war, mussten die Geschwister den Sand mit
Schaufeln umladen.
G. Schleusener